Freitag, 1. Oktober 2010

Ich weiß, was du denkst - Die universale Sprache des Gesichts

Ist es möglich, die geheimen Absichten eines Menschen zu erkennen? Die Antwort darauf ist eindeutig - ja. Es gibt heute Techniken und Methoden, die es erlauben, nicht nur Lügen, sondern auch unterschiedliche Emotionen innerhalb von Mikrosekunden zuverlässig zu erkennen.

In der Kommunikation mit anderen Menschen ist es schließlich sehr wichtig, nicht nur die Worte zu hören, die gesprochen werden, sondern auch zu erkennen, ob sie "echt" sind oder was die wahren Absichten des Gesprächspartners sind. Jeder von uns kann das "Lesen der Gesichter" erlernen, und das ist der erste Schritt, um unsere Mitmenschen besser einschätzen zu können.

Wann immer ein Mensch versucht, eine Emotion bewusst zu verbergen (oder unbewusst zu unterdrücken), kommt es auf seinem Gesicht zu unwillkürlichen Muskelzuckungen, die als Mikroexpressionen bezeichnet werden. Solche Muskelzuckungen dauern oft nur Sekundenbruchteile. Daher entgehen sie auch der Aufmerksamkeit der meisten Menschen.

Es gibt sieben Grundemotionen, die allen menschlichen Kulturen gemeinsam sind und deren mimischer Ausdruck weltweit von allen Völkern verstanden wird:

1. Freude
Stirn und Augenbrauen sind entspannt. In den Augenwinkeln bilden sich Lachfalten, die Wangen sind angehoben und die Mundwinkel nach oben gezogen.

2. Überraschung
Die Augenbrauen sind hochgezogen, die Augen weit aufgerissen, der Mund geöffnet und die Wangen entspannt.

3. Angst
Die Oberlider der Augen sind weit nach oben gezogen, die Unterlider angespannt, die Augenbrauen angehoben oder zusammengezogen, der Mund geöffnet, die Lippen seitlich auseinandergezogen.

4. Zorn
Die Augenbrauen zeigen nach unten und sind zusammengezogen. Die Nasenflügel sind geweitet und der Mund verkniffen.

5. Trauer
Die Innenseiten der Augenbrauen werden nach oben gezogen, die Mundwinkel nach unten. Der Blick erscheint defokussiert.

6. Ekel
Die Nase ist gerümpft, die Oberlippe nach oben gezogen.

7. Verachtung
Das Gesicht ist hier besonders unsymmetrisch. Der Mundwinkel ist einseitig angehoben, die Lippen sind geschlossen und die Wangen leicht nach oben gezogen.

zusätzliche Mikroausdrücke und unbewusste Bewegungen:

der Zungenstrich
Wer das Gefühl hat, nicht erwischt worden zu sein, streicht mit der Zunge über die Lippen

kratzen an der Nase
Beim Lügen weiten sich Äderchen in der Nase, das Gewebe wird stärker durchblutet. An der Nase führt das zu einer Gewebeschwellung. Das ist zwar unsichtbar, macht sich aber bemerkbar. Die Nase beginnt zu jucken. Ein einmaliges Kratzen ist bedeutungslos, aber wenn es ständig geschieht, verrät es den Lügner.

starrer Augenkontakt
Gesprächspartner, die Lügen und bei denen besonders viel auf dem Spiel steht suchen oft sehr intensiven Augenkontakt um die Kontolle über sein Gegenüber zu behalten. Greift ein Mensch auf eine echte Erinnerung aus seinem Gedächtnis zurück, bewegen sich die Augen.

vermehrtes Zwinkern
ist ein eindeutiges Zeichen von Angst. Es gibt eine direkte Nervenleitung von der Amygdala, dem Emotionszentrum des Gehirns zu den Zwinkermuskeln. Diese Verbindung lässt sich nicht willentlich kontrollieren.

Bisse auf die Lippen
Wer eine Frage beantworten soll und vorher kurz auf den Lippen kaut, wird wahrscheinlich nicht die Wahrheit sagen. Der Lügner lässt sich mit der Antwort einen kleinen Augenblick länger Zeit, weil er seine Gedanken besser ordnen muss.

Finger am Mund
Wenn jemand beim Reden unwillkürlich seinen Zeigefinger (manchmal sogar die ganze Faust) über den Mund legt, so ist das eine Mitteilung des Unbewussten, dass es ihm in diesem Moment lieber den Mund verbieten würde (moralische Bedenken).

Schulterzucken
Zuckt ein Mensch einseitig mit der Schulter, so drückt dies aus, dass er selbst nicht glaubt, was er sagt.

Hand an der Stirn
Wird die Hand während eines Gesprächs zur Stirn geführt, so signalisiert das Schamgefühl.




Mikroausdrücke zeigen zwar zweifelsfrei und klar erkennbar verborgene Emotionen an. Sie besagen jedoch nichts über die Motive eines Menschen. Es ist nicht einmal klar, ob der Mensch die Emotion absichtlich nicht zeigen will oder ob sie ganz einfach verdrängt, also auch ihm selbst nicht bewusst ist. In beiden Fällen sehen die Mikroausdrücke identisch aus.

Wenn Sie daher im Gespräch mit einem anderen Menschen einen Mikroausdruck erkennen, so wissen sie lediglich, was in dem anderen emotional vorgeht. Alles Weitere müssen Sie erst noch herausfinden. Sie können Ihre Kenntnis der Situation nutzen, um dem Menschen geeignete Fragen zu stellen, mit deren Hilfe Sie seine emotionale Stimmung klären können.

Die Methode, Mikroausdrücke zu entschlüsseln und daraus Rückschlüsse auf emotionale Zustände zu ziehen, wird als Facial Action Coding System (FACS) bezeichnet. Entdecker ist der amerikanische Psychologe Paul Ekman. Er studierte und arbeitete an den Universitäten von Chicago, New York und San Francisco und war mehrere Jahre lang als leitender Militärpsychologe für die US-Army tätig. Sein System umfasst 43 Grundbewegungen des menschlichen Gesichts, sogenannte Aktionseinheiten. Die sieben Grundemotionen und die o. g. Mikroausdrücke sind davon die wichtigsten.

Paul Ekman und seine Firma lieferten das Vorbild für die US-Fernsehserie "Lie to me".

Mikroausdrücke erlernen

Quellen:

Magazin Matix 3000 - Ausgabe 10/09

Paul Ekmann, Gefühle lesen: Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren